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AutorenbildChristian Schiede

„Flasche leere“: Governance aktivieren und revitalisieren

 

Familienunternehmen in der dritten, vierten und fünften Generation verfügen oft über beeindruckende Governance-Strukturen. Sie haben möglicherweise eine lange Tradition in der Inanspruchnahme erstklassiger Beratungsleistungen und erhalten weltweit Anerkennung für ihre bewährten Praktiken. Doch trotz dieser Errungenschaften macht sich unter den Eigentümerfamilien eine wachsende Unzufriedenheit breit. Als Berater erleben Sie es hautnah: geringe Anwesenheit bei Treffen, Desinteresse und eine stille Atmosphäre, selbst wenn Teilnehmer erscheinen. Entscheidungen scheinen nicht die Interessen der gesamten Familie widerzuspiegeln.


Etwas fühlt sich einfach nicht richtig an – der „Klebstoff“, der das System zusammenhält, scheint sich aufzulösen. Was ist los?

 

Das Papiertiger-Syndrom

Voraussetzung zahnlose Gremien ist unserer Erfahrung nach, dass die Familieneigentümer immer weniger Energie für und emotionale Verbindung mit der Führung ihres Unternehmens verspüren. Diese Bedingungen können dann in der Praxis zu diffusen Spannungen und verdecken Konflikten führen oder auch in Apathie und zunehmende Distanz umschlagen. Beide Szenarien können letztlich zur inneren Kündigung führen. Keiner möchte in seine solche Dynamik hineingeraten. Doch wie erkennen Sie, wenn destruktive Dynamiken drohen die Oberhand zu gewinnen und viel wichtiger, wie revitalisieren Sie ihre Gremien?

 

Identifizieren Sie leeren Struktur

Selbst wenn fachkundige Berater Governance-Systeme und Gesellschafterverträge durchdacht und sorgfältig vorbereitet haben, bedeutet dies nicht automatisch, dass die eingerichteten Strukturen und Prozesse in der Praxis tatsächlich für die Familie funktionieren. Wir gehen nicht davon aus, dass die Governance gut funktioniert, nur weil formell ein Familien- oder Eigentümerrat eingerichtet ist. Als Berater haben wir viel Erfahrung darin gesammelt, kraftlose Gremien zu erkennen und praktische Ansätze entwickelt, die Familie auf einen konstruktiven Weg zu bringen.


Hier sind einige zentrale Fragen, die wir regelmäßig zur Diagnose heranziehen:

Trägt die Struktur?

Tragfähigkeit bedeutet für uns weniger, dass eine Struktur formal existiert, sondern vielmehr, dass diese auch praktisch funktioniert. Eine tragfähige Governance-Struktur ist unserer Erfahrung nach flexibel genug, um sich einerseits an Veränderungen anzupassen, und gleichzeitig robust genug, um in Krisen Sicherheit und Stabilität zu geben. Wir regen daher stets dazu an, die Strukturen kontinuierlich zu prüfen und anzupassen, um ihre Relevanz und Wirksamkeit bestmöglich zu gewährleisten. Wir haben schon viele Familien gesehen, deren aktuelle Governance-Struktur nicht mehr mit der Unternehmensgröße oder den familiären Bedingungen übereinstimmte. Ein Mechanismus zur regelmäßigen Überprüfung und Anpassung der Strukturen ist essenziell diese Entkoppelung zu verhindern.


Sind die Gespräche offen und direkt?

Offene und direkte Gespräche sind das Rückgrat einer wirksamen Governance. Wenn wir Familientreffen erleben, die von unausgesprochenen Konflikten und versteckten Agenden geprägt sind, dann spricht das unserer Erfahrung nach sehr stark für kraftlose Gremienstrukturen. Wir haben über die Jahre gelernt, sehr genau auf Anzeichen von Kommunikationsproblemen zu achten wie z.B. häufige Missverständnisse oder das Gefühl, dass wichtige Themen nicht offen und ehrlich diskutiert werden. Wir haben nicht wenige Sitzungen erlebt, in denen ein Familienmitglied Bedenken äußerte, die dann schnell abgebügelt oder ignoriert wurden. Dies zeigt uns dann ganz klar, dass die Gespräche nicht offen und direkt genug sind, damit die Governance-Strukturen wirklich wirksam sein können.


Dominieren Vor- oder Nachbesprechungen die Entscheidungsfindung?

Wenn Entscheidungen hauptsächlich in informellen Vor- oder Nachbesprechungen getroffen werden, statt in den offiziellen Treffen selbst, dann deutet dies unserer Erfahrung nach stark auf leere Governance-Strukturen hin. Hier zeigt sich unserer Erfahrung nach, dass die formellen Entscheidungsprozesse nicht greifen und wichtige Diskussionen deswegen in inoffizielle Kanäle verlagert werden. Wir haben schon oft Familien dabei beobachten können, wie die wichtigsten Entscheidungen stets in kleinen Gruppen oder „hinter verschlossenen Türen“ vorab getroffen wurden, bevor die formellen Treffen überhaupt stattfinden. So werden die offiziellen Governance-Strukturen zwangsläufig zum reinen „Abnicker-Gremium“, das dann zurecht als überflüssig wahrgenommen. So entsteht unserer Erfahrung nach oft ein sich selbst verstärkender Teufelskreis, der meistens nur sehr schwer zu durchbrechen ist.


Werden Kernthemen angesprochen oder auf zukünftige Sitzungen verschoben?

Ein weiteres Zeichen für leere Strukturen ist unserer Erfahrung nach, wenn Kernthemen regelmäßig auf zukünftige Sitzungen verschoben werden, ohne auf Widerstand zu treffen. Dies ist für uns dann ein Hinweisen, dass die Struktur nicht effektiv genug ist, um wichtige Entscheidungen zeitnah zu treffen. Wenn eine Diskussion über eine bedeutende strategische Investition immer wieder vertagt wird, ohne dass klare Fortschritte erzielt werden, ist das für uns ein klarer Hinweis darauf, dass die Governance-Strukturen nicht in der Lage ist, wichtige Themen effektiv zu behandeln.


Zeit für einen Führungswechsel- gibt es Mechanismen dafür?

Jede Governance-Struktur sollte klare Mechanismen für den Mitgliederwechsel haben. Eine kraftlose Governance-Struktur fehlt oft diese Klarheit. Das äußert sich unserer Erfahrung nach in Unsicherheiten und Machtkämpfen. Wir prüfen daher immer ganz genau, ob es klare Richtlinien und Prozesse für den Mitglieder- und Wechsel des Vorsitzenden gibt und wann diese zuletzt überprüft und angepasst wurden. Wir haben nicht selten erlebt, dass eine Familie Schwierigkeiten hatte, geeignete Nachfolger für eine wichtige Führungsposition zu finden, da weder klaren Kriterien noch zeitgemäße Verfahren dafür existierten. Einen sauber definierter Nachfolgeplan zu erarbeiten ist für uns hier von entscheidender Bedeutung.


Zwischenfazit

Die externe Perspektive kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, leere Strukturen zu erkennen und Familienunternehmen dann auf den richtigen Weg zu bringen. Durch die regelmäßige Bewertung der Tragfähigkeit bestehender Strukturen, die Förderung offener und direkter Gespräche, die Sicherstellung, dass formelle Entscheidungsprozesse eingehalten werden, das gezielte Ansprechen von Kernthemen und die Einrichtung klarer Mechanismen für den Führungswechsel tragen wesentlich dazu bei, die Governance-Strukturen von Familienunternehmen zu revitalisieren und langfristig zu stärken.

 

Drei Ansätze zur Aktivierung und Revitalisierung der Governance

Familienunternehmen stehen oft vor der Herausforderung, ihre Governance-Strukturen an die sich verändernden Bedürfnisse und Dynamiken der Eigentümerfamilie anzupassen. Das Syndrom leerer Strukturen – gekennzeichnet durch mangelnde Tragfähigkeit, unzureichende Kommunikation, ineffektive Entscheidungsprozesse und fehlende Nachfolgepläne – führt regelmäßig zu Konflikten und Desinteresse.


Hier sind drei zentrale Handlungsfelder, die unserer Erfahrung nach gut funktionieren, um die Governance zu revitalisieren und die Familienbindung zu stärken.

1. Bauen Sie echte Verbindungen zwischen Familienmitgliedern auf

Eine der größten Herausforderungen für Unternehmerfamilien ist unserer Erfahrung nach sicherzustellen, dass alle Mitglieder eine echte Verbindung zueinander haben und diese Beziehungen aktiv gepflegt werden. Echte Verbindungen gehen unserer Meinung nach weit über formelle Treffen hinaus und basieren auf gegenseitigem Vertrauen und gemeinsamer Erfahrung. Wenn die Gespräche nicht offen und direkt sind oder wenn Vor- und Nachbesprechungen die Entscheidungsfindung dominieren, deutet dies für uns stark darauf hin, dass echte Verbindungen fehlen. Echte Verbindungen sind unserer Erfahrung nach eine essentielle Voraussetzung dafür, dass offizielle Kommunikationskanäle funktionieren und hier Entscheidungen getroffen werden und nicht im inoffiziellen Rahmen. Wir raten daher regelmäßig dazu, informelle Treffen zur Routine zu machen, damit Familienmitglieder ohne feste Agenda zusammenkommen können. Dies kann ein jährliches Familientreffen sein, eine gemeinsame Bildungsreise oder regelmäßige Familientage. Solche Gelegenheiten sind unserer Erfahrung nach essenziell, um das gegenseitige Verständnis zu fördern und das Vertrauen aufzubauen, das in formellen Sitzungen oft fehlt.


2. Besprechen Sie gemeinsam, worauf sie stolz sind, und vereinbaren Sie, was die Kinder lernen sollen

Das Bewusstsein und der Stolz auf das gemeinsame Tradition und Herkunft sind unserer Erfahrung nach zentrale Voraussetzungen dafür, dass die Mitglieder der Familie zusammenhalten. Indem Sie gemeinsam reflektieren, worauf Sie stolz sind und was Sie an die nächste Generation weitergeben möchten, schaffen Sie ein starkes Fundament für die gemeinsame Identität. Wenn wir beobachten, dass Kernthemen immer wieder auf zukünftige Sitzungen verschoben werden, liegt das unserer Erfahrung nach oft daran, dass die Familie nicht klar definiert hat, was ihr wirklich wichtig ist. Ein gemeinsames Verständnis und ein klarer Plan für die Ausbildung der nächsten Generation helfen unserer Ansicht nach, diese Kernfragen wirkungsvoll zu adressieren. Wir ermutigen daher oft dazu, Workshops oder moderierte Diskussionen zu veranstalten, in denen Familienmitglieder ihre Perspektiven und Geschichten über das Unternehmen teilen können. Wir schlagen daher gern vor gemeinsam ein Familienhandbuch oder eine Chronik zu erarbeiten, die die Geschichte und die Werte des Unternehmens dokumentiert und als Leitfaden für zukünftige Generationen dient.


3. Engagieren Sie sich gemeinsam für etwas, das über individuelle Interessen hinausgeht

Ein gemeinsames Ziel, das über die rein wirtschaftlichen Interessen einzelner Gesellschafter hinaus geht, entfaltet unserer Erfahrung nach eine starke und positiv motivierende Kraft. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es ein gemeinsames wohltätiges Projekt, eine Stiftung oder ein Engagement in der lokalen Gemeinschaft ist. Wenn wir Struktur erleben, die nicht tragfähig sind und die Gespräche weder offen noch direkt sind, fehlt unserer Erfahrung nach oft ein gemeinsamer Zweck, der die Familie vereint. Ein gemeinsames Engagement jenseits des Unternehmens kann dabei helfen, die strukturellen Schwächen zu überwinden und die Familie wieder zu einer Einheit zu formen. Wir ermutigen in solchen Situationen gern dazu, ein solches gemeinsames Projekt zu entwickeln, das alle Familienmitglieder begeistert und in dem sie ihre individuellen Stärken einbringen können. Solche Engagements schaffen die oft fehlenden gemeinsamen Erlebnisse und stärken das Gefühl der Zusammengehörigkeit.


Zwischenfazit

Die Revitalisierung der Governance in Familienunternehmen erfordert mehr als nur vertragliche und strukturelle Anpassungen. Es unserer Erfahrung darüber hinaus öfter darum, die emotionalen Verbindungen innerhalb der Familie spürbar zu stärken.


Durch den Aufbau echter Verbindungen, das gemeinsame Reflektieren der Tradition und das persönliche Engagement für gemeinschaftliche Ziele können Familienunternehmen in der Praxis eine stabile und tragfähige Governance-Struktur etablieren, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist.

Zwei Hebel zur Aktivierung Ihrer Gremien

Um tragfähige Governance-Strukturen aufrechtzuerhalten gibt es nach unserer Erfahrung zwei praktisch wirksame Ansätze. Diese beiden Maßnahmen helfen dabei, das Engagement und die Kompetenz der Eigentümer zu stärken, was letztlich die Stabilität und Effektivität der Governance-Strukturen sicherstellt.


1. Informationsversorgung

Eine der häufigsten Ursachen für Desinteresse und Apathie bei Eigentümern ist unserer Erfahrung nach das fehlende Verständnis dafür, was sie tatsächlich besitzen und wie das Unternehmen praktisch funktioniert. Wenn Eigentümer nicht wissen, wie ihre Vermögenswerte strukturiert sind, wie sich der oft größte Vermögenswert langfristig entwickelt und wie ihre Entscheidungen die Zielerreichung beeinflussen, dann ist es gut nachvollziehbar, dass Überfordert entsteht, die dann zu Distanz wird.


Konkrete Handlungsempfehlungen:


  1. Regelmäßige Berichte und Updates: Erstellen Sie klare, verständliche und regelmäßige Berichte über die Lage des Unternehmens, aktuelle Projekte, Investitionen und strategische Ziele. Verwenden Sie dabei eine Sprache, die auf Nicht-Fachleute zugeschnitten ist.


Beispiel: Ein vierteljährlicher Eigentümerbericht, der die wichtigsten Ergebnisse, Projektefortschritte und Investitionspläne zusammenfasst. Nutzen Sie dazu die Möglichkeiten digitaler Kommunikationskanäle aus, um den Wünschen und Möglichkeiten der Eigentümer bestmöglich zu entsprechen.


  1. Transparente Kommunikation: Organisieren Sie regelmäßig persönliche Informationsveranstaltungen, bei denen die Unternehmensführung über aktuelle Entwicklungen berichtet und direkt Fragen der Eigentümer beantwortet.


Beispiel: Ein jährliches Eigentümerforum, bei dem die Geschäftsführung und der Beirat gemeinsam über das vergangene Geschäftsjahr berichtet und die Strategie erklärt.


  1. Zugriff auf relevante Dokumente: Stellen Sie sicher, dass alle Eigentümer von überall aus einfach und schnell Zugang zu den als wichtig erachteten Dokumenten wie Geschäftsberichten, Investitionsplänen und Protokollen der Gremiensitzungen haben.


Beispiel: Eine digitale Plattform oder ein Intranet, das allen Eigentümern jederzeit Zugang zu den relevanten Informationen bietet.


2. Eigentümerkompetenz

Die Kompetenz und das Wissen der Eigentümerfamilie sind unserer Erfahrung nach entscheidend dafür, die langfristige Zukunftsfähigkeit und den wirtschaftlichen Erfolg des Familienunternehmens zu stärken. Je fundierter die Kenntnisse der Eigentümerfamilie in Geschäfts-, Finanz- und Eigentumsthemen werden, desto besser sind sie unserer Erfahrung nach in der Lage und willens, fundierte Entscheidungen zu treffen, aktiv Verantwortung zu übernehmen und engagiert am Governance-Prozess teilzunehmen.


Konkrete Handlungsempfehlungen:


  1. Schulungsprogramme und Workshops: Organisieren Sie regelmäßige Schulungen und Workshops zu Themen wie Unternehmensführung, Finanzmanagement, rechtliche Rahmenbedingungen und strategische Planung. Diese Schulungen sollten unserer Erfahrung nach sowohl für bestehende Eigentümer als auch für die nächste Generation angeboten werden. Vergessen sie dabei positive Anreize nicht und übernehmen Sie die direkten Kosten.

  2. Mentorenprogramme: Etablieren Sie Mentorenprogramme, bei denen erfahrene Familienmitglieder oder externe Berater jüngere oder weniger erfahrene Eigentümer unterstützen und ihr Wissen weitergeben.

  3. E-Learning-Plattformen: Entwickeln Sie eine spielerische Lern-Plattform mit maßgeschneiderten Kursen und Ressourcen, die alle Eigentümer jederzeit nutzen können, um ihr Wissen zu vertiefen und auf dem neuesten Stand zu bleiben.


Fazit

Die Bereitstellung notwendiger Informationen und die Förderung der Eigentümerkompetenz sind wesentliche Maßnahmen verzögern oder verhindern das erlahmen der Governance-Gremien. Durch kontinuierliche, klare und transparente Kommunikation sowie gezielte Schulungsprogramme lernen Eigentümer immer besser zu verstehen, was sie besitzen und bekommen Lust darauf ihre Rolle aktiv und kompetent wahrzunehmen. Diese Maßnahmen tragen unserer Erfahrung nach wesentlich zur Widerstandsfähigkeit und Wirksamkeit der etablierten Governance-Strukturen bei. Viel wichtiger ist es unserer Erfahrung nach, dass so das Engagement und die Verantwortungsübernahme der Eigentümer gefördert und gestärkt wird, was letztlich den langfristigen Erfolg des Familienunternehmens sichert.

 

 

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