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AutorenbildChristian Schiede

Governance smarter machen

Weil mehrstufige Gremienarbeit (Gesellschafterversammlung, Beirat und Geschäftsführung) nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel ist wird die kontinuierliche Verbesserung der Governance-Mechanismen zur Schlüsselfähigkeit kompetenter Familiengesellschafter.



Generationenwechsel ist in Familienunternehmen Dauerzustand, nur unterschiedlich heiß. Führungs- und Eigentumsübertragungen sind stets ein Katalysator für Veränderung der Governance. Diese Transformation umfasst sowohl die langfristig oft sehr konstante personelle Zusammensetzung, als auch den unmittelbaren Modus-Operandi im Gesellschafterkreis, dem Beirat und der Geschäftsführung.

In der Praxis trifft man bei vielen Familienunternehmen im Generationenübergang zusätzlich auf das Klumpenrisiko „Ruhestandswelle“ im Kreis der familienfremden Vertrauten im Beirat, in der Geschäftsführung oder bei Schlüssellieferanten, das nur selten vorausschauend adressiert wird. Zielsetzung kompetenter Gesellschafter von Familienunternehmens muss es sein, unabhängig von Nachfolge, die Leistung der Beiratsarbeit fortlaufend zu verbessern – KVP der Gremienarbeit sozusagen.


Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess der Gremienarbeit im allgemeinen und des Beirates im speziellen haben mindestens folgende sechs Punkte auf ihrer Agenda:


• Erwarteter Nutzenbeitrag der Gremienarbeit prüfen und anpassen

• Rolle des Vorsitzenden, des Stellvertreters und der regulären Mitglieder aktualisieren

• Gremienbesetzung und strategische Zielsetzung abgleichen

• Nachbesetzungs-Pipeline mit Anforderungsprofilen aktualisieren

• Infrastruktur und Unterstützungs-Systeme bewerten und updaten

• Wirksamkeit der Evaluation von Beiratsarbeit prüfen


Die Gesellschafter haben bei der Ergebnisqualität den Hut auf und sollten entsprechend

über Investitionen in der Gremien-KVP entscheiden.


 

6 Elemente exzellenter Governance


Ohne wirkungsvolle Struktur bleiben die besten Gesellschafter, Beiräte und Führungsteams unter ihren Möglichkeiten.


Personenzentrik reduzieren – Gremiendesign überprüfen

Die Ausstattung der Governance-Gremien mit Weisungs- und Entscheidungsrechten entscheidet, ob es sich um eine eher schwache Instanz handelt oder um ein mit einem robust ausgestatteten Mandat versehenes Organ. In smarten Gremien sind Mechanismen

für den Notfall installiert, die ein „umschalten“ zwischen beiden Typen mit den dazu

gehörenden Rechten und Pflichten herbeiführen. Mit dem Wechsel zwischen Beratungs- und Kontrollgremium rückt neben anderen Rollenanforderungen auch eine andere zeitliche Perspektive in den Vordergrund. Im Kontrollgremium steht die kurzfristige Überlebenssicherung im Fokus. Unabhängig vom Gremienzweck und dem zeitlichen Horizont bleiben die Beiratsmitglieder aber stets dem Unternehmen verpflichtet und nicht einzelnen Gesellschaftern. Spätestens bei der Anteilsübertragung führen sonst oft gut gemeinte, aber falsch verstandene Loyalitätszusicherungen zu Streit.


Konsenskultur hinterfragen – Konfliktbereitschaft und -fähigkeit stärken


„culture eats strategy for breakfast” beginnt in der Gesellschafterversammlung


Ein gutes Arbeitsklima in Beiräten und Geschäftsführung von Familienunternehmen ist die Regel, Respekt und Wertschätzung unter den oft honorigen Mitgliedern sind an der Tagesordnung. Ebenso oft ist Gremienarbeit bei genauerer Betrachtung aber aus dem gleichen Grund zu sehr auf Harmonie getrimmt. Die oft über viele Jahre gleich gebliebene Besetzung kann den so entstehenden Eindruck von „Scheinfrieden“ und gegenseitiger Bestätigung beim „Ja-Sagen“ weiter verstärken. Spätestens bei Eigentumsveränderungen in der Gesellschafterfamilie sind kontroverse Themen jedoch unumgänglich. Die Fähigkeit heiße Eisen vorausschauend und offensiv anzugehen fehlt dann in der Praxis leider zu oft.


Speziell die Fähigkeit des Beiratsgremiums sich abzeichnende Konfliktfelder proaktiv und konstruktiv im Sinne der Zukunftsfähigkeit des Familienunternehmens zu nutzen wird umso wichtiger, je unsicherer das Umfeld wird. Die praktizierte Streitkultur im Eigentümerkreis und speziell im Beirat mit den dazu gehörenden Kompetenzen seiner Mitglieder, gerade die des Vorsitzenden, zu professionalisieren und in der DNA des Beirats-Gremiums zu verankern wird damit in Zukunft ein Schlüsselziel kompetenter Gesellschafter.


Herkunftsprivilege in Frage stellen – mehr Leistungsbeitrag einfordern


„Eigentum verpflichtet“ statt Familienzugehörigkeit berechtigt


Während die Anforderungen an Beiratsmitglieder von Seiten der Eigentümer grundsätzlich ständig gestiegen sind, bleiben die meisten Eigentümerfamilien dem Motto treu: „Blut ist dicker als Wasser und Abstammung bleibt wichtiger als Kompetenz“. So verjagen gerade die Familienunternehmen genau die Beiratskandidaten und -mitglieder, die Sie so dringend bräuchten. Die Top-Kandidaten werden sich zurecht von Beiräten fernhalten, in denen Familienvertreter ohne Expertise und relevante Erfahrung ihnen erklären, wie die Welt funktioniert. Ebenso treten familienfremde Leistungsträger nicht als Nachhilfe für das kleine 1x1 der Unternehmensführung an. In Vorbereitung des Generationenwechsels ist es grundsätzlich unvermeidlich den Arbeitsmodus des Beirates und die dazu notwendigen Kompetenzen seiner Mitglieder zu hinterfragen und auf die zukünftigen Anforderungen hin neu auszurichten. Die Gelegenheit zu nutzen, um bewusst alte Zöpfe abgeschnitten ist hier meistens nicht das Schlechteste. Die Kehrseite der Medaille, bei der Familienmitglieder lediglich als Alibivertreter und familiäre „Feigenblätter“ von externen, professionellen Beiratsmitgliedern an den Rand gedrängt werden, darf ebenfalls kein Dauerzustand werden. Vielmehr stellt sich die Frage, welche spezifischen Leistungsbeiträge von internen und externen Beiräten zu erwarten sind.


Weniger operative Antwortsuche – mehr strategische Fragen stellen


„Wer Fragt führt“ funktioniert nicht mit dem Rückspiegel vor Augen.


Die Bewältigung der Corona-Krise hat viele Beiräte zusammengeschweißt. Die Krisenarbeit von der Unternehmensführung bis in den Gesellschafterkreis war dabei naturgemäß oft durch sehr operative Problemlösungen geprägt. So schwer es angesichts der multiplen Krisen in der Post-Corona Zeit auch fällt müssen gerade Beiräte wieder stärker auf Ihre „Flughöhe“ achten i.S.v. Höhe gewinnen, um das Sichtfeld nach vorne in Richtung langfristiger Zukunft wieder zu vergrößern. Voraussetzung dafür ist, dass Bilanzen, Reports und andere Rückspiegel-Kontrollfunktionen bei gleicher Qualität effizienter erledigt werden, da sonst die zeitliche Belastung der Mandatsträger speziell im Gesellschafterausschuss und im Beirat explodiert. Andere Sitzungsvorbereitung und neue Ablaufgestaltung sind unumgänglich, um mehr strategische Fragen zur langfristigen Zukunftsfähigkeit des Familienunternehmens zu beantworten. Mit der oft hausgemachten Infrastruktur für den Beirat und dem daraus resultierenden Flickenteppich an digitalen Kollaborations-Systemen hat dies jedoch wenig Aussicht auf Erfolg.


„Group-Think“ verringern – Teamdiversität systematischer entwickeln


„Wer keine Hitze verträgt hat in der Küche nichts zu suchen“


„Gleich und gleich gesellt sich gern“ beschreibt die Praxis von Governance-Gremien in

Familienunternehmen meist recht zutreffend, angefangen bei der Geschlechterverteilung

bis hin zur fachlichen Expertise der Beirats- und Geschäftsführungs-Mitglieder. Vielleicht dauert die Suche nach den dringend benötigten Köpfen im Beirat für Zukunftsthemen wie AI, Nachhaltigkeit und Regulierung auch deshalb so lange, weil eine erfolgreiche Besetzung die praktizierte Vorherrschaft klassischer BWL-Kompetenzen im Beirat massiv durcheinander wirbeln würde und Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt würden. Kompetente Eigentümer fragen sich daher, wie viel „blinde Flecken“ sie sich leisten können, wollen und dürfen gerade in den Bereichen die die Welt neu erfinden.


Hemdsärmeligkeit zurückfahren – Gremienleistung smart beurteilen


„Miss es, oder vergiss es“ gilt für Beiräte genauso wie für die Geschäftsführung


Die systematische Evaluation der Gremienarbeit ist Voraussetzung jeder professionellen Governance. Auf welcher Basis entscheidet sonst der Gesellschafterausschuss jährlich

über die Entlastung des Beirats insgesamt bzw. über Vertragsverlängerungen einzelner

Mitglieder? Eine belastbare Bewertung der Beiratsarbeit braucht daher mehr als eine reine

Selbstbeurteilung über den dicken Daumen anhand jahrzehntelanger Praxiserfahrung,

sondern berücksichtigt systematisches Feedback sowohl der Eigentümer als auch der

Mitglieder des obersten Führungsteams. Wer Beirats- oder Geschäftsführungskandidaten im Auswahlprozess einem Assessment-Verfahren unterzieht muss bei der Qualitätssicherung in der aktuellen Besetzung des Gremiums ebenso systematisch und stringent vorgehen. Gerade im Nachfolgeprozess oder dem Notfall fehlt andernfalls die so dringend benötigte

Entscheidungsbasis. Wie man mit Familienmitgliedern umgeht, die das Assessment-Center

nicht bestehen, sollte man sich aber lange vorher sehr genau überlegt haben, bevor die

Ersten zur Prüfung antreten.


 

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