Wenn alle wissen: es ist Zeit zu gehen - nur der Chef will nicht zurücktreten
- Christian Schiede
- 22. März
- 3 Min. Lesezeit
Wenn der Gründer oder die prägende Unternehmerpersönlichkeit eines Familienunternehmens zu schwach zum Führen wird, aber nicht weichen will, entsteht eine existenzielle Bedrohung.
Fehlentscheidungen, Veränderungsblockaden und Vertrauensverluste destabilisieren Familie und Unternehmen dauerhaft.
Dieser Beitrag zeigt, wie Familienunternehmen die feine Linie zwischen „alt, aber fähig“ und „alt und beeinträchtigt“ erkennen – und welche Strategien einen sanften, aber wirkungsvollen Führungsübergang ermöglichen.
Ein stilles Risiko mit enormer Sprengkraft
Es gibt eine ungeschriebene Regel in Familienunternehmen: Loyalität und Respekt vor der Erfahrung der älteren Generation. Doch was passiert, wenn eine alternde Führungskraft – oft der Gründer oder eine prägende Unternehmerpersönlichkeit – nicht mehr in der Lage ist, das Unternehmen souverän zu steuern?
Ein geschwächter Chef trifft Fehlentscheidungen, blockiert Innovationen oder gefährdet durch inadäquates Verhalten das Vertrauen von Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Der Übergang von einem starken zu einem beeinträchtigten Leader ist oft schleichend – und genau das macht ihn so gefährlich. Die Familie und das Unternehmen stehen dann vor einer doppelten Herausforderung:
Wie kann der Schaden begrenzt werden, ohne das familiäre Fundament zu zerstören?
Beispiel: Der fatale Kontrollverlust des Paten
Andrew Russo, das Oberhaupt der Colombo-Mafia-Familie, regierte seine „Firma“ jahrzehntelang mit Disziplin und Kontrolle. Doch mit 87 Jahren verlor er den Überblick, wurde unvorsichtig – und wurde schließlich verhaftet. Während Russo kein klassischer Familienunternehmer war, ist das Muster jedoch ähnlich und leider nur allzu bekannt: Eine einst starke Führungskraft hält am Status quo fest und ignoriert die Zeichen der Zeit. Bis es zu spät ist - ein Schelm wer hier an "HARIBO" denkt.
In Familienunternehmen gibt es zu oft keine starke und unabhängige Instanz die den geschäftsführenden Gesellschafter entlassen kann - leider kommen auch viele Beiräte hier an ihre Grenzen. Doch was tun, wenn der Eigentümer selbst zum Unternehmensrisiko wird?
Wie erkennt man die Grenze zwischen „alt, aber fähig“ und „alt und beeinträchtigt“?
Nicht jeder Unternehmer muss mit 65 automatisch abdanken. Erfahrung und Weitsicht sind oft unschätzbare Ressourcen und viele sind länger fitter als früher.
In unserer Arbeit haben wir gelernt auf folgende Warnsignale zu achten:
Kognitive oder physische Einschränkungen: Gedächtnisverlust, Verwirrung oder mangelnde Konzentration.
Unangemessene Entscheidungen: Fehlende Risikobewertung, Fehlinvestitionen oder Vertragsverletzungen.
Verlorene Autorität: Führungskräfte, Mitarbeiter und Geschäftspartner nehmen "den Alten" nicht mehr ernst oder umgehen ihn.
Blockadehaltung: Verweigerung von Innovationen oder Nachfolgediskussionen.
Konflikte in der Familie: Eskalierende Auseinandersetzungen mit der Next Gen oder anderen Gesellschaftern.
Wenn eines oder mehrere dieser Symptome auftreten, ist schnelles und strategisches Handeln gefragt.
Strategien für einen sanften, aber effektiven Übergang
Es gibt unserer Erfahrung nach keinen „perfekten Moment“ für einen Rücktritt, aber es gibt Wege, einen geordneten Übergang zu gestalten.
1. Eine neutrale Instanz als Vermittler einbinden
Wenn ein geschwächter Unternehmer sich gegen eine Veränderung wehrt, sind direkte Familiengespräche oft nicht zielführend. Ein unabhängiger Dritter – sei es ein erfahrener Familienberater, ein Beiratsmitglied oder ein langjähriger Vertrauter – kann helfen, Brücken zu bauen und eine lösungsorientierte Diskussion zu ermöglichen.
2. Parallelstrukturen aufbauen
Falls ein direkter Machtwechsel nicht durchsetzbar ist, kann ein „Schattenmanagement“ geschaffen werden.
In der Praxis bedeutet das:
Enge Begleitung von Entscheidungen durch ein informelles Führungsteam.
Next-Gen-Gremien, die strategische Weichenstellungen vorbereiten.
Selektive Delegation von Verantwortlichkeiten, um kritische Unternehmensprozesse abzusichern.
3. Eine neue Rolle für den scheidenden Unternehmer schaffen
Oft klammern sich ältere Unternehmer nicht an die operative Kontrolle, sondern an ihre Identität als „Leader“. Ein bewährter Ansatz ist es, eine neue Übergangsrolle wie "Ehrenpräsident/-vorsitzender" oder ähnliches zu definieren, die Anerkennung sichert, ohne dass weiterhin kritische Geschäftsentscheidungen treffen.
4. Aufsichts- und Führungsgremien weiterentwickeln, bevor es brennt
Prävention ist der beste Schutz. Klare Regeln zu Amtszeiten, Leistungsüberprüfungen und Entscheidungs-Mechanismen schaffen ein strukturiertes Rahmenwerk, das unnötig Eskalation verhindert.
Best Practice: Unternehmen wie Würth oder IKEA haben eine sanfte Transition erfolgreich gemeistert. Ingvar Kamprad, der Gründer, blieb bis ins hohe Alter involviert, übergab aber schrittweise Macht an die nächste Generation – ohne sein Gesicht zu verlieren.
Der Klügere gibt ab - die Salami-Taktik macht's möglich
Das Festhalten an der Macht wird das erfolgreichste Familienunternehmen und die Familie irreparabel schädigen.
Mit einem strategischen weitsichtigen und emotional einfühlsamen Ansatz kann ein würdevoller Übergang gelingen – zum Wohle aller Beteiligten.
Familienunternehmen müssen sich fragen: Haben wir die richtigen Strukturen, um mit dieser Herausforderung umzugehen? Oder warten wir, bis die Krise uns zum Handeln zwingt und sind wir dann auch bereit, den materiellen und emotionalen Preis zu bezahlen?
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